Den Einstieg machten wir heute wieder
mit der Szene: „Jens lernt Türkisch“. Wie jedes Mal, wenn wir die Szene spielten,
strahlten die Augen der Mitfahrenden mit türkischem
Migrationshintergrund, sobald sie mitbekamen, dass ein Deutscher Türkisch
lernt. Ein junger Mann setzte sich sogar extra zu Jens, um ihm bei der Aussprache
der Worte zu helfen. „Nur nicht den Mut verlieren“ sagte er beim Aussteigen. Als
wir die Szene in einem anderen Wagen wiederholten, bat eine Frau mit Kopftuch ihre
Tochter, (die ebenfalls ein Kopftuch trug), Jens zu helfen: „Erkläre ihm das, du
kennst dich doch aus mit der Grammatik“ sagte sie auf Türkisch zu ihrer Tochter.
Bei dieser Szene merken wir immer wieder, wie sich die Menschen mit Migrationshintergrund
öffnen, sobald sie merken, dass man sich für ihre Sprache und Kultur interessiert.
Sofort entsteht eine lockere Atmosphäre und eine freundlich-offene Kommunikation.
Sehr gut funktionierte heute auch die
Szene: „deutsche Muslima“, bei der Ali in der U-Bahn auf seine frühere Bekannte
Cordula trifft und sich über ihr Kopftuch wundert. Wir spielten diese Szene heute
weniger konfrontativ, d.h. Ali stellte seine Fragen eher neutral: „Ah, das ist ja
ganz ungewohnt, dich mit Kopftuch zu sehen“. Trotzdem reagierte Cordula verletzt
und begann, sich zu rechtfertigen: „Wieso denn...denkst du, ich mache das nicht
freiwillig oder was?“. Nachdem sie ausgestiegen war, mischten sich viele Fahrgäste
in die Diskussion zum Thema Kopftuch und Religion ein. Eine junge Polin sagte:
„In Deutschland trauen sich nicht einmal Priester mit ihrem Gewand in die Öffentlichkeit.
Die Deutschen haben einfach noch nicht gelernt, unterschiedliche Lebens- und Glaubensformen
als normal anzusehen“.
Auf den Einwand von Ali hin, manche würden
aber auch zum Kopftuch gezwungen werden, entstand eine Diskussion über Freiwilligkeit:
„wenn man in eine starke Tradition hinein geboren wird, übernimmt man manches unhinterfragt,
ist das dann freiwillig oder nicht?“ warf eine ältere deutsche Frau ein.
Ein Frau
aus Brasilien, die perfekt deutsch sprach, früher in Spanien lebte und jetzt in
Rom lebt, erklärte, dass der Islam weniger missionarisch sei als das Christentum
und belegte dies mit der Geschichte der Besetzung Spaniens durch die Mauren, welche
dort den christlichen Glauben der Bewohner respektiert hätten. Die Brasilianerin freute sich über die angeregte
Diskussion in der U-Bahn und meinte, dass so etwas in Rom nicht möglich sei, da
dort die Menschen viel oberflächlicher wären.
Schon öfter hatten
Fahrgäste sich begeistert darüber geäußert, dass in der U-Bahn solche
interessanten Gespräche/Begegnungen stattfänden. Dies bestärkt uns in unserer
Entscheidung, die Szenen nach dem Spiel nicht als „bloßes Theater“ zu
enttarnen.
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