Sonntag, 17. Juni 2012

Zehnter Einsatz


Die Beteiligung der Mitfahrenden war an diesem Tag wieder in allen Szenen sehr groß. Eine rege Diskussion löste die Szene „Jens lernt Türkisch“ aus. Ein Lehrer (ein Deutscher) erzählte, dass in den 80ger Jahren die Integration gut angelaufen sei, aber „jetzt ist es gekippt“. Er fand, dass es eine gute Idee sei, in den Schulen auch Türkisch zu unterrichten. In der anschließenden Diskussion darüber, wie wichtig es aber auch für die Migranten sei, Deutsch zu lernen, mischte sich eine Mitfahrerin mit türkischem Migrationshintergrund und kritisierte die Vorgabe, dass nur die Menschen in der Türkei schon vor der Einreise Deutschkurse machen müssten, während es für die Einreise aus anderen Ländern keine Voraussetzung sei. Daraufhin erzählten zwei Frauen (ohne Migrationshintergrund), dass an den Schulen ihrer Kinder viele verschiedenen Nationalitäten vertreten gewesen seien, dass die Schüler mit türkischem und arabischem Migrationshintergrund jedoch mehr Probleme beim Erwerb der deutschen Sprache gehabt hätten als die anderen Kinder mit Migrationshintergrund. 
In der Szene mit der Mathematikstudentin, die von den Vorurteilen erzählt, denen sie aufgrund ihres Kopftuches an der Uni begegnet, gab es besonders viel Beteiligung. Ein junges Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund erzählte, sie habe viele Freundinnen, die ein Kopftuch tragen würden, ohne sich dadurch ausgegrenzt zu fühlen. „Die sind ganz normal, die gehen mit deutschen Freundinnen aus und treffen sich mit Jungs, ganz normal“. Sehr betroffen reagierte jedoch eine andere Frau mit türkischem Migrationshintergrund, die aus Überzeugung kein Kopftuch trägt: „Ich bin eine gläubige Muslima, aber ich trage keine Kopftuch, weil es nicht im Koran steht. Ich bete fünf Mal am Tag, ich kenne den Koran besser als die meisten Leute, aber ich muss mich ständig verteidigen, auch in meiner Familie. Sie werfen mir vor, ich sei keine richtige Gläubige, das ist sehr hart für mich, sehr bitter. Aber ich bin stark und ich kämpfe weiter für meine Überzeugung.“
Die anschließende Szene mit der deutschen Lehrerin („Sherin trifft ihre Lehrerin“) führte zu Diskussionen über die veränderte Situation von Lehrern an deutschen Schulen durch den höheren Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund. „Sie müssen sich interkulturell bilden“, sagte eine Mitfahrerin mit türkischem Migrationshintergrund zur Lehrerin.  Eine ältere Deutsche sagte, sie sei früher auch Lehrerin gewesen und es sei einfach nicht möglich, bei der hohen Schülerzahl allen gerecht zu werden. „Wir brauchen kleinere Klassen und SchulsozialarbeiterInnen, die auch Türkisch oder Arabisch sprechen. Und mehr Aufklärung für die Eltern mit Migrationshintergrund, aber auch für die Lehrer darüber, was üblich ist in anderen Kulturen“.
Ein älterer deutscher Mann, ehemaliger Busfahrer, war der Meinung, ein bisschen mehr Strenge habe noch niemandem geschadet und fügte dann beim Aussteigen hinzu: „Na dann diskutiert mal schön weiter.“
Zum Abschluss spielten wir noch einmal die „Schnittchen“-Szene, bei der sich der halbe U-Bahn-Wagen über Jens amüsierte, als er seine machohaften Thesen über Hausarbeit und Geschlechterrollen verkündete. Eine ältere Frau nahm ihre Brille ab und sagte“: Ich lache Tränen, das ist ja wunderbar, so was in der U-Bahn zu erleben“. 

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