Da wir heute einen Fotografen dabei hatten und das Problem umgehen
mussten, keine fremden Fahrgäste in der U-Bahn fotografieren zu dürfen, erfanden
wir die Figur der Touristin vom Land (deutsche Schauspielerin). Die Touristin war
noch nie U-Bahn gefahren und bat ihren Freund, sie zu fotografieren. Ali, der das
mitbekam, mischte sich ein: „Gibt es da, wo sie herkommen, Ausländer?“ Als die Touristin
verneinte, bot er sich an, dass sie sich mit ihm und seiner Freundin Sherin zusammen
fotografieren lassen könne.
An diese Situation schlossen wir direkt mit der Szene: „Jens
lernt Türkisch“ an. Nachdem die Touristin sich einen Platz gesucht hatte, begann
Jens mit seinen Türkischübungen. Ali öffnete die Situation mit der Frage: „Sie lernen
Türkisch?“. In die anschließende Diskussion über die Frage, warum ein Deutscher
Türkisch lernt, mischte sich die Touristin wieder ein: „Können Sie schon ein türkisches
Wort?“. Jens erklärte ihr daraufhin das Wort: „Merhaba“ und dass es „Guten Tag“
heiße. Als die Touristin begann, das Wort zu üben, schaltete sich eine Mitfahrerin
mit türkischem Migrationshintergrund ein: „Merhaba ist nicht das richtige Wort“,
sagte sie, richtiger sei es zu sagen: „selam“. Dies bestätigte eine andere junge
Frau mit türk. Migrationshintergund und half der Touristin dabei, das Wort zu üben.
Auch bei dieser Szene entstand durch die Neugier auf die andere Sprache sofort eine
positive und offene Grundstimmung.
Anschließend spielten wir zwei Mal die Szene: „Der besorgte Vater“,
bei der Ali seinen Sohn am Telefon inständig bittet,
die Schule weiterzumachen. An der anschließenden Diskussion über die Bildungsproblematik
beteiligten sich im ersten Durchgang zunächst zwei ältere Deutsche. Der eine (ein
Lehrer) berichtete, dass bei der dritten Einwanderergeneration immer häufiger die
Kinder ohne Deutschkenntnisse in die Schule kämen. Auf die Nachfrage von Cordula,
ob es sein könne, dass die Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund von
LehrerInnen schlechter beurteilt würden als vergleichbare Leistungen von deutschen
SchülerInnen, mischten sich zwei deutsche Jugendliche ein und erzählten, dass bei
ihnen viele ausländische Jugendliche in der Klasse seien und dass sie eher den Eindruck
hätten, diese würden bevorzugt. In den zweiten Durchgang der Szene mischte sich
ein Deutscher (ein Markthändler) ein, der erzählte, wie schwer es für viele Jugendliche
mit Migrationshintergrund sei, in der Schule mitzuhalten, wenn sie zu Hause keine
Unterstützung bekommen könnten. Er berichtete von einem Jugendlichen mit
arabischem Migrationshintergrund, den er seit einigen Jahren versuchen würde zu
unterstützen: „Er hat die Schule geschmissen, aber jetzt habe ich ihn beim OSZ angemeldet,
damit er erst mal seinen Hauptschulabschluss macht. Sein Vater ist ganz verzweifelt,
aber er kann ihm nicht helfen“.
Anschließend spielten wir die Szene: „verzweifelte Lehrerin“.
Auch diese Szene, bzw. die anschließende Thematisierung des kulturellen Missverständnisses
(„Kinder sollen Respektspersonen nicht ansehen, wenn sie Mist gebaut haben“) erntete
viel Resonanz. Eine deutsche Frau bestätigte dies: „Das ist wie bei Hunden, das
ist eine Geste der Unterwerfung“, sagte sie, was
aber offensichtlich nicht diskriminierend gemeint war. Es entstand eine Diskussion
über die kulturell bedingten unterschiedlichen Auffassungen von Autorität an deutschen
Schulen („Sind deutsche Schulen zu lasch?“), in die sich eine Kindergärtnerin einmischte:
“Es muss mehr kommuniziert werden“, sagte sie. „Aber dafür müssen die Eltern unbedingt
Deutsch lernen“. Sie berichtete anschließend von ihren Versuchen, Partnerschaften
zwischen deutschen Eltern und Eltern mit Migrationshintergrund zu stiften. Als wir
ausstiegen, sagte die erste Diskussionsteilnehmerin noch, wie toll sie es fände,
dass in der U-Bahn solche Begegnungen möglich seien.
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