Freitag, 11. Mai 2012

Der zweite Einsatz


Der zweite Einsatz war wieder sehr spannend. In mehreren Szenen ist es uns gelungen, die Mitfahrenden in die Diskussionen einzubinden und dabei den Blick auf gängige Vorurteile zu lenken. Besonders anrührend war die Szene, in der die Schauspielerin mit arabischem Migrationshintergrund gegen ihren Willen verheiratet werden soll und sich verzweifelt ihrem Onkel anvertraut, der verspricht, ihr zu helfen. „Haben Sie das mitbekommen?“, fragten wir als „Mitreisende“ anschließend in die Runde und ein Mann erzählte ganz bestürzt, was er gesehen und gehört habe. Anschließend begannen wir mit dem Mann eine Diskussion über die Rolle des Onkels, der sich offenbar nicht dem Druck der Familie beugen würde, sondern dem Mädchen helfen wolle. „Wollen wir das Beste hoffen“, sagte der Fahrgast, als er sich von uns verabschiedete.
Die Szene: „Jens lernt Türkisch“ führte wieder zu großer Heiterkeit. Vor allem die Fahrgäste mit Migrationshintergrund freuten sich über den jungen Deutschen, der laut und hilflos türkische Worte übt, bis er vom türkischen Fahrgast (Schauspieler) Hilfe bekommt. Die anschließende Diskussion über die Notwendigkeit des Sprachelernens in einem fremden Land versandete allerdings schnell. Wir müssen deshalb die Szene noch mehr mit Argumenten „füttern“.
Insgesamt ist es uns heute jedoch gelungen, viel mehr Aufmerksamkeit auf uns zu lenken und die Mitfahrenden mehr in die Diskussionen einzubinden.  
Die „Abschiebungs“ - Szene spielten wir heute zum ersten Mal. In dieser Szene telefoniert der deutsche Schauspieler aufgeregt: einer seiner Schauspielschüler soll abgeschoben werden und er will jetzt zum Flughafen fahren und dem Jungen helfen. Nachdem der Schauspieler ausgestiegen war, blickten die Fahrgäste betreten zu Boden. Wir begannen eine Diskussion darüber, ob es richtig sei, den Jungen abzuschieben und ob er nicht in Deutschland bleiben müsse, da dies seine Heimat sei, auch wenn er Mist gebaut habe. Aber die Fahrgäste mischten sich nicht ein. Allerdings war diese U-Bahn sehr unruhig und voll. In einer anderen Zusammensetzung der Fahrgäste hätte auch diese Szene sicher mehr Resonanz gehabt. 
Super lief unsere „Schnittchen“-Szene, in der der deutsche Partner sich weigert, seiner Freundin bei der Hausarbeit zu helfen, weil er seine Serie schauen wolle. In dieser Szene geht es um die Umkehr des Vorurteils, dass Männer mit Migrationshintergrund alle Machos seien, die nie bei der Hausarbeit helfen würden. Als der Streit zwischen dem Paar immer lauter wurde, mischte sich ein fremder Fahrgast ein (ein sportlicher junger Mann mit Migrationshintergrund): „Du kannst doch die Wiederholung gucken“, erklärte er unserem Schauspieler und fügte hinzu, auch er würde zu hause mithelfen, das sei doch selbstverständlich. Viele Fahrgäste lachten, sie äußerten ihre Zustimmung und es entspann sich eine lockere Diskussion über die Männerrolle in unterschiedlichen Kulturen und welche Vorurteile es zu diesem Thema gibt. Der junge Mann stieg später sichtlich erbaut aus der U-Bahn. Unseren ursprünglichen Plan, die Szene am Ende als Theater zu offenbaren, verwarfen wir deshalb. Der Mann wirkte so glücklich und zufrieden mit seiner Intervention, dass wir ihn nicht enttäuschen wollten. 

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